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2. Kapitel
Wie alle Dämonen besaß auch er ein ausgezeichnetes Gehör. Schon in den frühen Morgenstunden, die Sonne noch nicht über einen einzigen Hügel gekrochen, hatte ein kleiner Dämon namens Kopernikus den Schutz seines Nestes verlassen. Jetzt saß er in einem Baum. Ein stabiler Ast bot ihm genug Halt, kleine Zweige und eine dichte Fülle an grünen Blättern schützte ihn vor den Blicken anderer. Ob sie ihn genauso neugierig betrachten würden, wie er sie? Oder würden sie schreiend davonlaufen? Angeekelt von seinem Körper, seinem grünem und einem roten Auge, dass in einem Gesicht wie eine Warnung prangte, dass auf der einen Seite menschliche Züge besaß, auf der anderen Seite den Eindruck erweckte, der Teufel hatte ihm sein Zeichen aufgedrückt.
Und das war es auch.
Kopernikus war der Sohn des Dämonenkönigs. Nur ein halber Dämon, doch nicht menschlich genug, um in der Welt außerhalb der dunklen Höhlen zu überleben.
Was würde sein Vater wohl sagen, wenn er ihn hier fände? Würde er die Kinder töten?
Ein leises Geräusch ließ Kopernikus aufschrecken, sein kleines Herz begann in einem wilden Takt zu schlagen, drückte gegen seine behaarte Brust, als wollte es zerspringen.
Dann erkannte er das Schnaufen eines Tieres.
Es war ein Pferd. Wild und ungezähmt, mit wallender Mähne blieb es unter dem Baum stehen, senkte den Kopf und begann das frische grüne Gras zu fressen.
Kopernikus vernahm das Reißen, als die Grashalme wie Streichhölzer auseinanderbrachen und hörte das Aufeinanderschlagen kräftiger Zähne.
Noch eine Weile genoss das Pferd seine Mahlzeit, tänzelte von einer Stelle zur anderen. Erst als Kinderlachen an seine Ohren drang, hob es den Kopf mit seinen schwarzen Augen. Noch ein letztes Schnauben entwich seinen Nüstern, dann galoppierte der Rappen über die große Wiese.
Kopernikus wandte den Kopf. Den Kindern zu. Auf die Jungen und Mädchen hatte er seit dem Morgen gewartet.
Eigentlich wartete er jeden Tag auf sie. Sie zu beobachten, ihre kindischen Spiele zu lernen und ihr Lachen zu hören, gab ihm ein Gefühl von Freiheit.
Aber auch zu ihnen gehörte er nicht.
Der kleine Dämon umklammerte verletzt einen Zweig. Er konnte nicht verstehen, warum er ein warmes Zuhause hatte und doch sich nie zu Hause fühlte. Geborgenheit, Liebe, die Umarmung einer Mutter kannte er nicht, konnte sie nicht in Worte fassen und nicht spüren.
Nie. Denn seine Mutter war in dem Augenblick gestorben, als er seine Augen zum ersten Mal öffnete.
Unter seiner noch unbeherrschten Kraft brach der Zweig in zweil Teile, eines spitzer als das andere. Sie fielen zu Boden. Die Kinder hielten in ihren Bewegungen inne, sahen zu dem riesigen Baum, der selbst im Winter seine grüne Pracht nicht verlor.
Der kleine Dämon im Baum bewegte nicht einen Finger, starrte hinunter und hoffte sie würden ihn nicht entdecken. Sie sollten weiter unbekümmert spielen, lachen.
© Mia Nikos,
книга «Kopernikus».
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